Begriffe rund um die Osteopathie

Das folgende Lexikon soll dazu dienen, Ihnen eine kurze Übersicht über bestimmte Fachbegriffe zu geben. Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern dient der kurzen, übersichtlichen Information.

Einleitend möchte ich kurz den Begriff Komplementärmedizin erläutern: komplementär heißt soviel wie ergänzend. Im Bereich der Medizin fasst der Begriff Komplementärmedizin Diagnose-, und Therapieverfahren zusammen, die ergänzend zur Schulmedizin arbeiten.
Jede "Medizin" hat ihre Möglichkeiten und Stärken sowie ihre Grenzen. In Ergänzung und gegenseitigem Anerkennen kann nach meiner Sichtweise der bestmögliche Weg für Gesundheit gefunden werden.

Geschichte der Osteopathie

Begründer der Osteopathie ist der amerikanische Arzt Andrew Taylor Still (1828 – 1917). Er entwickelte in seinem, auch durch Krankheit und Verlust geprägten Leben, ein Behandlungssystem dem er schließlich den Namen „Osteopathie“ gab. Still verlor seine erste Frau und später drei seiner Kinder an viralen und bakteriellen Epidemien. Geprägt durch diese schmerzvollen Erfahrungen, hinterfragte er immer häufiger den Ursprung von Krankheiten und die daraus zu ziehende Philosophie. Er suchte eine neue Art der Medizin und entwickelte daraus schließlich eine ganzheitlich denkende, manuelle Heilkunde, die Osteopathie. Still verglich den Körper mit einer „göttlichen Apotheke“. Der Körper verfügt nach dieser Philosophie Stills selbst über alle zur Heilung nötigen Prozesse und Strukturen. Jede einzelne Körperstruktur trägt zu dieser „göttlichen Apotheke“ bei und die funktionierende Gesamtheit bildet die Kraft der Selbstregulationsfähigkeit des Körpers. Still formulierte aus seiner Geisteshaltung und seinen vielfältigen Erfahrungen nach und nach Grundprinzipien, die bis heute Gültigkeit haben.


Grundprinzipien der Osteopathie:

1. Struktur und Funktion beeinflussen sich gegenseitig
In der Osteopathie spielt die wechselseitige Beziehung von Struktur und Funktion eine entscheidende Rolle. Jeder Körper besteht aus verschiedensten Strukturen, wie zum Beispiel aus Knochen, Muskeln, Sehnen, Bändern und Organen. Jede dieser Strukturen erfüllt wiederum verschiedenste Funktionen. Knochen geben in erster Linie Halt und sorgen für Stabilität, Muskeln ermöglichen Bewegung, Sehnen und Bänder dienen u. a. der Kraftübertragung und der Stabilisation.

Jede Struktur ist abhängig von ihrer Funktion. Beispielsweise führt eine vermehrte Belastung ( Funktion ) des Knochens ( Struktur ) zu einer Verstärkung / Veränderung  der Knochenstruktur. Ein Muskel ( Struktur ) kann erst sinnvoll zum Einsatz kommen, wenn er sich optimal bewegen kann ( Funktion ). In der osteopathischen Untersuchung werden „Funktionen“ untersucht, Störungen aufgespürt und gelöst, um so die betroffene Struktur ( z.B. Gelenk, Muskel, Knochen ) positiv zu beeinflussen.


2. Der Körper als untrennbare Einheit
Alle Körperteile bilden eine Gesamtheit und beeinflussen sich gegenseitig. Die Beeinträchtigung eines Körperteils wird demzufolge eine Beeinträchtigung anderen Strukturen / Funktionen nach sich ziehen. Eine Funktionsstörung ist somit fast nie isoliert zu betrachten, sondern setzt sich im Körper insbesondere anhand des Fasziengewebes fort. Ziel einer osteopathischen Behandlung ist es, die ursprüngliche Funktionsstörung zu ertasten und zu lösen, auf Basis derer sich weitere Symptome aufgebaut haben. Somit kann es durchaus sein, dass ihr Tier mit Schmerzen im rechten Vorderbein primär am Rücken behandelt wird, um die dort lokalisierte, ursprüngliche Störung zu lösen.


3. Das Prinzip der Selbstregulation
Der Körper verfügt über Anpassungs- und Regulationsmechanismen, um Gesundheit bei alltäglichen Beanspruchungen und Belastungen zu bewahren bzw. wieder herbeizuführen. Viele kleine Störungen werden nahezu unbemerkt ausgeglichen.
Erst beim Überschreiten dieser Fähigkeiten, kann es zu Beschwerden und Beeinträchtigungen der Gesundheit kommen.
In diesen Fällen macht es sich die Osteopathie zur Aufgabe, Störungen zu lösen, die der Selbstregulation im Wege stehen.


4. Die Rolle der Arterie

Still sagte dazu: "Eine beeinträchtigte Arterie markiert auf die Stunde und Minute genau den Beginn, an dem eine Krankheit im Körper den Samen der Zerstörung sät. Die Arterie muss überall und jederzeit und absolut ungehindert das Regiment führen können, oder eine Krankheit wird folgen."
Jede Zelle im Körper ist auf eine arterielle Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff angewiesen. Stoffwechselendprodukte müssen entsprechend durch den venösen Abfluss und den Lymphtransport entsorgt werden. Spannungserhöhungen und Funktionsstörungen im Gewebe, können den Kreislauf der Ver- und Entsorgung stören und Einschränkungen der optimalen Zellfunktion und Zellgesundheit nach sich ziehen.


Der Begriff Osteopathie

Es gibt in der Literatur eine größere Anzahl von Definitionen zum Begriff der Osteopathie. Eine wörtliche Übersetzung im Sinne von „Knochenleiden“ nach den Wortursprüngen „osteon = Knochen“ und „pathos = Leiden“ trifft das gesamte Wesen dieser Behandlungsform nicht. Keine wörtliche Übersetzung kann meiner Meinung nach das beschreiben, was der Begriff Osteopathie beinhaltet. Für mich ist das Wort Osteopathie mit seiner Geschichte, seiner Seele und einer Geisteshaltung  des Therapeuten verbunden.

„Osteopathie ist gleichzeitig Wissenschaft, Kunst und Philosophie.“

Eine Wissenschaft, da eine gründliche Kenntnis der Anatomie und Physiologie erforderlich ist, um die Osteopathie sicher und kompetent ausführen zu können. Kenntnisse im Bereich der Pathologie nötig sind, um Differentialdiagnosen stellen zu können, Grenzen der eigenen Therapie realistisch einschätzen zu können. Eine Kunst, weil es eines guten Einfühlungsvermögens und geschulten Händen bedarf, um Funktionsstörungen zu ertasten und schonend zu lösen. Eine Philosophie, weil die Osteopathie eine ganz eigene Sicht von Krankheit und deren Ursache hat.


Parietale, viszerale und craniosakrale Osteopathie

Parietale Osteopathie
Sie richtet ihren Schwerpunkt auf die Strukturen des Bewegungsapparats, wie beispielsweise auf Knochen, Muskeln, Bänder, Gelenke und Faszien. Traditionell stellt die Suche nach Funktionsstörungen in diesem Bereich des Körpers, die Basis der osteopathischen Untersuchung dar. In der Behandlung unterscheidet man zwischen strukturellen und funktionellen Techniken. Strukturelle Techniken können am ehesten mit der Chiropraktik verglichen werden. Anhand von Manipulationen und Mobilisationen, insbesondere der Gelenke, werden vorhandene Störungen gelöst. Funktionelle Techniken richten ihren Schwerpunkt hingegen mehr auf die gestörte Funktion der gelenkumgebenen Weichteile.

 

Viszerale Osteopathie
Sie richtet ihren Schwerpunkt auf die Betrachtung der inneren Organe. Diese sind im Körper durch Bindegewebe aufgehängt und verfügen u. a. über eine Mobilität in den einzelnen Höhlen des Körpers. Beim Pferd sind die Organe, bedingt durch die straffe Bauchdecke, nur bedingt direkt zu behandeln. Eine Beeinflussung der Organe ist aber über die Behandlung der Wirbelsäule indirekt möglich. Die einzelnen Wirbelsäulenabschnitte sind über bestimmte Nervenfasern ( vegetatives Nervensystem )  mit den inneren Organen verbunden und können so auf indirektem Weg beeinflusst werden. Bei Hunden ist die Behandlung der inneren Organe zudem über die Bauchdecke möglich.

 

Craniosakrale Osteopathie
Sie richtet ihren Schwerpunkt auf die Behandlung des sogenannten kraniosakralen Systems.
Das kraniosakrale System besteht aus der Wirbelsäule, dem Kreuzbein, den Schädelknochen, den Hirnhäuten, sowie der Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit.
In der Osteopathie geht man davon aus, dass diese Flüssigkeit in einem bestimmten Rhythmus als eine Art Welle vom Schädel bis zum
Kreuzbein verläuft. Liegen Veränderungen dieser Strömung vor, beispielsweise bedingt durch Funktionsstörungen des Kreuzbeins, kommt es zu einer Veränderung des sogenannten kraniosakralen Rhythmus und folgend zu einer Störung weiterer Körperfunktionen.


Faszien

Im Allgemeinen handelt es sich hierbei um bindegewebige Verstärkungen einzelner Strukturen. Anatomisch unterscheidet man, je nach Körperregion, einzelne Faszien, welche beispielsweise Muskelgruppen umhüllen und in ihrem Verlauf ineinander übergehen.
In der Osteopathie versteht man den Begriff Faszie weitläufiger und bezeichnet damit alles im Körper vorkommende und miteinander in Verbindung stehende Bindegewebe.
Anhand dieser bindegewebigen Strukturen können sich im Körper Funktionsstörungen ausbreiten und zu Symptomen, weit entfernt von der ursprünglichen Läsionsstelle, führen.


Funktionsstörungen / somatische Dysfunktion

Diese Begriffe werden synonym verwendet und drücken eine tastbar veränderte Einschränkung der normalen Gewebsfunktion aus. Der im alltäglichen Gebrauch verwendete Begriff der Blockade, lässt meiner Ansicht nach, zu mechanisch an eine rein gelenkbedingte Störung denken.


Primärläsion

Sie ist die ursächliche Funktionsstörung, auf der sich in der Regel weiterfolgende Störungen von Körperfunktionen aufbauen. Symptome, die offensichtlich in Erscheinung treten, wie beispielsweise eine Lahmheit, können ihre Primärläsion weit entfernt vom Ort der gezeigten Symptomatik haben. Das Ziel einer osteopathischen Behandlung ist das Aufspüren und Lösen der Primärläsion, um einen dauerhaften Behandlungserfolg zu erzielen. Sekundär entstandene Probleme können sich anschließend, oftmals von ganz allein lösen.


Sekundärläsion

Sekundäre Läsionen sind die Folge von einer Primärläsion und entstehen beispielsweise durch Muskelketten, Bindegewebszüge und statische Veränderungen. Sie führen zu einer Ausbreitung der ursprünglichen Störung.

 

Strukturelle Schäden

Strukturelle Schäden sind solche, die mit bildgebenden Verfahren, wie beispielsweise Röntgen und Ultraschall, dargestellt werden können. Ihnen kann eine Funktionsstörung vorausgehen, welche durch Röntgen / Ultraschall  noch nicht nachweisbar ist. Diese Störungen können nur durch eine geschulte Hand ertastet und beeinflusst werden.